Von der Subkultur zur Touristenattraktion

Noch einen Schritt weiter gehen die sogenannten LED-Throwies. Aus einer Batterie, einem Magneten und einer LED-Leuchte werden kleine, leuchtende Wurfgeschosse angefertigt, die an jeder Metalloberfläche haften bleiben. Die Erfindung entstand in New York als Reaktion auf die Anti-Graffiti-Farbe, mit der sich Hausbesitzer zunehmend gegen die Kunstwerke der Straßenkünstler wehren – also entwickelten die Mitglieder der Gruppe “Graffiti Research Lab” die Throwies als Alternative, um ihr Revier zu markieren.

Inzwischen hat wiederum die Werbeindustrie Street Art als neue Ausdrucksform für sich erkannt. So ließ ein bekannter Sportartikelhersteller entlang einer beliebten Joggermeile in Hamburg seinen Claim auf verwitterte Strom kästen “Kärcher”, also mit Hilfe des gleichnamigen Hochdruckreinigers und Schablonen in den Dreck schreiben. Rechtlich bewegte sich der Turnschuhhersteller mit dieser Form von Werbung in einer Grauzone, mittlerweile ist diese Werbeform verboten.

Die Firma Kärcher selbst beauftragte zuletzt den Künstler Klaus Dauven. Er sollte auf der Oleftalsperre in Hellenthal/Eifel mit Hochdruckreinigern die größte Zeichnung der Welt anfertigen. Mit Öffentlicher Genehmigung versteht sich. Dem Bild – dargestellt ist ein abstraktes Waldtieridyll – fehlt leider jegliche subkulturelle Note.

Der zunehmende Erfolg von Street Art, die Kommerzialisierung und die damit verbundenen Nebenaspekte schmecken deswegen beileibe nicht jedem in der Szene, die subkulturelle Gegenbewegung zu Street Art ist schon längst aktiv. “Destroy the museums, in the streets and everywhere”, ist das Motto der sogenannten Splasher. Sie zerstören Street Art mutwillig mit Farbbeuteln oder

attackieren Ausstellungen mit Stinkbomben. “Spritzer”, so die deutsche Übersetzung, machen Street Art verantwortlich für steigende Mieten in den alternativen Stadtvierteln – weil die Kunst solche Gegenden attraktiver für Touristen und Investoren macht, wie es in einem Online-Manifest heißt.

“Jungs, das ist Adbusting”

Nachvollziehbar, doch es gibt eine Krux: In den Augen der Kunstszene verliert “gesplashte” Street Art nicht etwa an Wert, sondern gewinnt im Gegenteil – denn die oft sehr statischen Cutouts werden durch die Spritzer verspielter und greller. Das Kunstmagazin “Art” spekuliert bereits Über eigene Ausstellungen und eine Splash-Modelinie.

Wie weit Street Art in der Öffentlichen Wahrnehmung bereits gekommen ist, davon konnte ich Übrigens höchst selbst bei meinem Besuch auf der Polizeiwache einen Eindruck gewinnen. “Jungs, das ist Adbusting”, klärte uns der Wachtmeister ohne ein Wimpernzucken auf. “Adbusting” setzt sich aus “Advertisement” (Werbung) und “busting” (zerstören) zusammen, und meint das gezielte Verfremden von Werbung im Öffentlichen Raum: Konsumkritik. Tja, und wenn bereits schnauzbärtige Wachtmeister so leichtfüßig mit Szenejargon hantieren, kann Street Art schon lange keine Subkultur mehr sein. Sondern ist längst Pop.

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